|
Großmutter väterlicherseits
... ihre kräftig-liebevollen Hände die mir mit Kernseife den Rücken wuschen darüber der Jaulton ihres Hörgeräts, dessen Batterie trug sie in ihrem Mieder gute Butter gab's bei ihr Käse in feuchten Tüchern hinter Fliegendraht in der Kammer und lose Milch kaufte ich ein daraus entstand die dicke Milch darüber dann Zucker und Zimt
vor Sonn- und Feiertagen schrubbte sie den Hof und den Steingarten während die ATH herüberdröhnte und der St. Laurentius-Dom dem rheinischen Himmel trotzte Pannas, Lufttrockene, Vollkorn lernte ich bei ihr schmecken wenn der Tag zur Neige ging ohne Radio und Fernsehen dafür las sie im "Blumengärtlein" von Tersteegen, die "Perlenschnur" oder den Thomas von Kempen
sie schimpfte nicht wie ihr Mann als ich zur Tanzschule ging oder nach Hamborn 07 sie blieb lieb ihr Lebtag ein Kind, ein Kind Gottes und flüsternd betete sie mit wenn ihr Mann nach Tisch für des Leibes Notdurft dankte wie geschäftig sie auch war ihre Zeit stand still – gebührte ihr nicht, bei Gott, der Friedensmodellpreis?
Meine weißen Hemden bügelte sie und das Geld für die Reichsgotteskasse eine reaktionäre Biographie so konsequent, daß der Tod sie beneidet, fast 80 Jahre dem Herrn ein Wohlgefallen die stille Einfalt einer großen Mutter, als sie erfuhr ihr erster Urenkel sei geborn galt ihre erste Frage seiner Mutter: Kann sie denn schenken?
Aus: Als wir einmal Äpfel pflücken wollten, 1985 |